„Die Chemie stimmt einfach“
Gudrun Pretzer, Marita Zimmer, Ingrid Schacht, Irene Wilcke, Brigitte Hohensee, Alex Kühl (Ehrenamtskoordinator), Barbara Heidschmidt, Natalia Erdle, Nadja Garbe (Leiterin des Caritas-Regionalzentrums Anklam), Ilona Lemke
Walter Wetzler
"Heute Nacht konnte ich vor Aufregung kaum schlafen", sagt Natalia Erdle mit einem Schmunzeln. Sie ist eine der insgesamt rund 30 Ehrenamtlichen, die sich im Freiwilligenzentrum Anklam engagieren. Heute ist sie zusammen mit sieben weiteren ehrenamtlich engagierten Frauen nach Greifswald gekommen, um den Drei-Königs-Preis des Diözesanrats der Katholiken entgegenzunehmen. Für alle war es eine große Überraschung und Freude, als sie von ihrer Auszeichnung erfuhren.
Der Drei-Königs-Preis ist mit 2.650 Euro dotiert. Das Preisgeld wird von den Mitgliedern der Vollversammlung des Diözesanrats und einem Beitrag des Katholikenrats beim Katholischen Militärbischof aufgebracht. Walter Wetzler
Im Rahmen seiner Frühjahrsvollversammlung Ende April lud der Rat nicht nur die Ehrenamtlichen zur feierlichen Preisverleihung in die Propsteikirche St. Joseph ein. Auch Jana Michael, Integrationsbeauftragte der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern, sprach ein Grußwort und würdigte das Engagement der Anklamerinnen und Anklamer. Unter den Gästen waren auch Michael Galander, Bürgermeister in Anklam und Caritasdirektorin Ulrike Kostka. Kathrin Schulz und Alex Kühl, Ehrenamtskoordinatoren bei der Caritas und Nadja Garbe, Leiterin des Regionalzentrums Anklam, freuten sich ebenfalls über die Ehrung ihrer Arbeit. Der Dreikönigspreis ist mit 2.650 Euro dotiert und zeichnet das Freiwilligenzentrum nicht nur als Ort bürgerschaftlichen Engagements aus. Bereits seit 2015 ist das Zentrum in der Flüchtlingshilfe aktiv, daher ist der Preis auch eine Anerkennung der Angebote, die zur Integration von Geflüchteten und Menschen mit Migrationshintergrund beitragen.
Nähen und Stricken fürs Beisammensein und für den guten Zweck
2008 wurde das Freiwilligenzentrum in Anklam eröffnet, 2013 folgte der Nachbarschaftstreff "Wegwarte". Seit 2014 gibt es das "Strickcafé". Zehn bis 12 Frauen stricken gemeinsam Mützen, Handschuhe, Socken. Aber nicht für sich selbst, sondern für Einrichtungen der Stadt. "Wir haben zum Beispiel die Säuglingsstation des Krankenhauses mit Mützchen versorgt. Letztes Jahr haben wir Mützen und Handschuhe für die Förderschule ‚Kleeblatt‘ gestrickt", erzählt Marita Zimmer.
"Die Atmosphäre, wenn wir uns treffen, ist einfach toll", schwärmt ihre Kollegin Irene Wilcke. Als sie 2016 in den Ruhestand ging, erfuhr sie, dass es in der Wegwarte Nähmaschinen gab. "Ich habe viele Interessen, nicht nur Handarbeit, aber irgendwann wird es daheim zu viel. Es ist wunderbar, dass wir hier nicht nur für uns nähen, sondern eben auch für andere", sagt sie. Die Nähmaschinen, die damals im Freiwilligenzentrum standen, schaute sich Irene Wilcke genau an. Zwei alte konnten bleiben, zwei neue Exemplare wurden dazu gekauft. Regelmäßig treffen sich seitdem fünf bis sechs Frauen zum Nähen. Zuletzt stellten die Frauen Decken für an Demenz erkrankte ältere Menschen her.
Marita Zimmer mit der Preisurkunde bei einer Austauschrunde nach der Feier.Walter Wetzler
Fahrradtouren, Frühstück und Deutschkurse
Ingrid Schacht bietet als Ehrenamtliche nicht nur Töpferkurse an, sondern ein bis zwei Mal im Monat auch eine Fahrradtour mit dem Namen "Internationales Radgeflüster". Eine bunt gemischte, bis zu 15-köpfige Gruppe aus Menschen mit und ohne Migrationshintergrund besucht dann Sehenswürdigkeiten in der Umgebung. Darunter waren schon eine Alpaka-Farm und alte, verwunschene Schlösser.
Nicht erst im Zuge des Ukraine-Krieges bietet das Freiwilligenzentrum Deutschkurse an. Die zwölf Lehrerinnen und Lehrer stemmen bis heute freiwillig mehrere Kurse pro Tag, für Menschen aus der Ukraine, aber auch aus Syrien, Afghanistan, Irak und Tschetschenien. Neu entstanden ist ein Kreativ-Projekt für ukrainische Kinder, die so viele Bilder malten, dass daraus schon zwei Ausstellungen entstehen konnten.
Natalia Erdle bringt seit 2015 geflüchtete und zugewanderte Familien zusammen, bietet Ausflüge wie zum Beispiel Theaterbesuche an und hat mit ihren russischen Sprachkenntnissen immer ein offenes Ohr für die Gäste des Zentrums. Einmal im Monat lädt die "Wegwarte" zum gemeinsamen Frühstück und viele Ehrenamtliche bringen etwas für das Büffet mit, meist selber gebacken oder gekocht. Integration geht eben auch durch den Magen: Inzwischen haben schon viele ukrainische Gäste ihre Leibspeisen mitgebracht.
Natalia Erdle ist selbst 2004 nach Deutschland eingewandert und fühlt sich in der Gemeinschaft des Freiwilligenzentrums sehr wohl. "Die Chemie stimmt einfach", sagt sie. Und man spürt, dass die anderen das genauso sehen.
Erfahren Sie mehr über die Ehrenamtlichen des Freiwilligenzentrums Anklam in unserer Bildergalerie unten.
Text: Anja Goritzka und Christina Kölpin