„Wir wollen für alle Menschen da sein.“
Seit 1. Januar 2020 sind in Stralsund Ehrenamtliche erreichbar, die andere Menschen in Ausnahmesituationen des Lebens begleiten und unterstützen, täglich von 8 bis 22 Uhr über die Telefonnummer der Lazarusdienste in Stralsund.
"Es gibt viele Krisen im Leben. Die müssen nicht nur mit dem Tod eines Menschen zu tun haben", ist Diana Zeuner überzeugt. Die Krankenschwester, die im Bereich Palliativmedizin arbeitet und so gar nichts mit dem christlichen Glauben am Hut hat, engagiert sich dennoch bei den Lazarusdiensten der Pfarrei St. Bernhard und des ambulanten Hospizdienstes in Stralsund.
Seit dem 1. Januar 2020 sind unter der zentralen Rufnummer 03831/46 39 230 Ehrenamtliche von 8 Uhr bis 22 Uhr erreichbar, die andere Engagierte vermitteln, sei es nur für eine Autofahrt zum Friedhof oder auch für die Begleitung von Angehörigen, die einen Menschen verloren haben. Auch ganz konkret bei Fragen zur Beerdigung stehen die Ehrenamtlichen bereit. "Wie oft haben wir es, dass gar keiner mehr zur Trauerfeier geht, weil gar keiner mehr da ist? Hier können wir helfen und mitgehen", meint Pfarrer Andreas Sommer. Gerade bei der Begleitung von schwer Erkrankten können die Dienste auf einen erfahrenen ambulanten Caritas-Hospizdienst in Stralsund zurückgreifen. Seit über 15 Jahren sind hier 48 Ehrenamtliche unterwegs, kooperieren mit der Gemeinde und anderen Akteuren innerhalb der Hansestadt. Dieser wird auch mit den Lazarusdiensten kooperieren, bleibe aber eigenständig, wie die Leiterin Martina Steinfurth betont.
Die Pfarrei Bernhard von Clairvaux ganz im Norden des Erzbistums Berlin von Rügen über Stralsund bis hin nach Demmin hat sich vor zwei Jahren die Themen Trauerarbeit, Sterben, Umgang mit dem Tod ins Konzept geschrieben. Das Ergebnis sind die Lazarusdienste. Sechs Säulen gibt jetzt: Gespräche und Begegnung mit einem Besuchsdienst und einem Begegnungscafé, die Vermittlung von professioneller Beratung zu Vorsorgemöglichkeiten, der Beistand und die Seelsorge in der Sterbestunde für Betroffene und Angehörige, das sind die ersten drei Säulen. Darüber hinaus bieten die Lazarusdienste Begleitung und Hilfe bei Erkrankungen, die Vermittlung von Sterbebegleitung in vertrauter Umgebung, palliative Beratung und Anteilnahme und Stärkung durch Ehrenamtliche, die Menschen zur letzten Ruhestätte ihrer Verstorbenen begleiten oder gar als Einzige zu einer Trauerfeier gehen. "Wir holen sicherlich keine Menschen vom Tod zurück wie Jesus es bei Lazarus getan hat, aber wir können alles andere drum herum für die Lebenden in den Blick nehmen", ist Pfarrer Andreas Sommer überzeugt.
Die freigeschaltete Telefonnummer soll dabei keineswegs die Telefonseelsorge ersetzen oder mit dieser konkurrieren. Bei den Lazarusdiensten geht es erst einmal um die Vermittlung Ehrenamtlicher, nicht um konkrete Seelsorge, über 70 stehen mittlerweile auf der Liste der Lazarusdienste. Auch wollen die Initiatoren in die Seniorenheime vor Ort gehen. "Viele Altenpflegeheime können Angehörige gar nicht auffangen, dabei ist das nötig", räumt Martina Steinfurth ein und ergänzt: "Wichtig ist, dass wir keine Konkurrenz sein wollen, sondern eine Ergänzung." Zudem stehen Kooperationen mit dem Krankenhaus in Stralsund in Aussicht. "Die Heliosklinik kann sich vorstellen, dass sie uns Räume zur Verfügung stellt, um beispielsweise mit Mitarbeitern der Onkologie ins Gespräch zu kommen, um ein Sensibilitätstraining durchzuführen", berichtet Diana Zeuner, die ihr Wissen aus dem Bereich Palliativmedizin als fachliche Beraterin einbringt. "Ich kann den Ehrenamtlichen zum Beispiel bestimmte Krankheiten erklären", so die Krankenschwester weiter. Einmal wurde sie auch schon über die Telefonnummer der Lazarusdienste vermittelt: "Da ging es um eine Patientin, die daheim beatmet werden musste." Unterstützung durch individuelle Fortbildungsangebote gibt es vom Erzbistum aus Berlin. "Die Gemeinde übernimmt Verantwortung für die Themen Sterben, Tod und Trauer in der Stadt Stralsund selber und darüber hinaus", resümiert die Leiterin des Arbeitsbereiches Sendung im Erzbistum Berlin Uta Raabe. Ein Budget hingegen gibt es nicht. Wichtig zudem: "Wir wollen für alle Menschen da sein, die Unterstützung benötigen, unabhängig von Religion und Weltanschauung", betont Martina Steinfurth.
Text: Anja Goritzka