Greifswald - Die Caritas kritisiert das Ausführungsgesetz zur bundesgesetzlichen Regelung der psychosozialen Prozessbegleitung in Mecklenburg-Vorpommern. Für viele Kinder und Jugendliche, die Opfer sexualisierter Gewalt wurden, kommt es zu spät und verschlechtert ihre Situation. Nachdem das Land Mecklenburg-Vorpommern sich zunächst im Vorfeld der Gesetzgebung mit einem vielbeachteten Modellprojekt für diese Kinder und Jugendlichen eingesetzt hat, kommt nun die Kehrtwende. Das am 17.05.2017 im Landtag abgestimmte Gesetz zur Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung (AGPsychPbG M-V) untergräbt die notwendigen fachlichen Standards und lässt viele junge Opfer von Gewalt ohne tragfähige Unterstützung und Begleitung zurück.
"Das Ausführungsgesetz verschlechtert die Situation von jungen Gewaltopfern. Der Komprissvorschlag zur Finanzierung ist eine Mogelpackung. Erfahrende Fachkräfte können so nicht bereit gestellt werden", erklärt Burghardt Siperko, Caritas-Regionalleiter für Vorpommern. "Die Caritas musste im Januar von einem Augenblick auf den anderen die Prozessbegleitung einstellen und zehn Fälle einfach abgeben. Durch das neue Ausführungsgesetz werden bereits Traumatisierte nochmals traumatisiert, weil sie künftig auf belastende Aussagen vor Gericht nicht ausreichend vorbereitet werden können", so Siperko.
Im Modellprojekt, das von 2010 bis Ende 2016 lief, wurden Kinder und Jugendliche, die von sexualisierter Gewalt betroffen waren, niedrigschwellig und unkompliziert unterstützt und im Ermittlungs- und Gerichtsverfahren begleitet. Die Bundesländer hatten das gesamte letzte Jahr Zeit, um zum 01. Januar 2017 ein tragfähiges Ausführungsgesetz zur Verfügung zu stellen. Erst im November 2016 legte das Land Mecklenburg-Vorpommern einen ersten Entwurf vor, zu dem die Caritas kritisch Stellung genommen hat. Um einen verantwortungsvollen und behutsamen Übergang in das neue System zu gestalten, hätte das Land die bis Ende 2016 gültige Förderrichtlinie einfach verlängern können. Stattdessen wurde die Caritas am 25.01.2017 informiert, dass die Förderung rückwirkend zum 01.01.2017 eingestellt ist. Die Caritas musste kurzfristig und unvorbereitet die bis dahin begleiteten Kinder abgeben.
Die Betreuung und Hilfe von Opfern von Gewalttaten im Strafverfahren ist eine Kernaufgabe der Justiz und keine freiwillige Zusatzleistung. "Bei Vernehmungen und Aussagen von Kindern und Jugendlichen darf kein neuerliches Leid entstehen. Für die fachlich fundierte psychosoziale Prozessbegleitung von Kindern und Jugendlichen müssen daher gut ausgebildete Fachkräfte dauerhaft bereit stehen. Bei jungen Gewaltopfern zu sparen, zeigt mangelndes Einfühlungsvermögen für Kinder und Jugendliche, die Schlimmes erlebt haben", sagt Burghardt Siperko.
Weitere Informationen: Sandra Oehler - Telefon: 0151 217 63 785